Liste |
Geogenetische Definitionen für Lockergesteine |
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Überbegriffe |
Gletscherablagerungen und glazigene Vollformen > Gletscherablagerungen |
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Unterbegriffe |
Typ A-Glazitektonit |
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Typ B-Glazitektonit |
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Begriffsdefinition 'Glazitektonit' als PDF |
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Status |
gültig |
Kürzel |
gtk |
Erläuterung |
Gesteinseinheit, die im Zuge eines Eisvorstoßes spröde oder duktil verformt wurde, aber noch lithologische bzw. strukturelle Merkmale des Ausgangsmaterials zeigt. |
Synonyme |
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Kategorisierung |
petrogenetisch |
Englisch |
glaciotectonite |
Zusammensetzung / Merkmale |
Als Glazitektonit wird eine durch den Gletscher deformierte Gesteinseinheit bezeichnet, die noch lithologische bzw. strukturelle Merkmale des Ausgangsmaterials zeigt. Zu den möglichen Vorgängergesteinen zählen sowohl Lockergesteine (glazialen und nicht-glazialen Ursprungs) als auch Festgesteinsformationen, die durch den Gletscher überfahren und dabei deformiert wurden. Innerhalb von Glazitektoniten können allochthone → Schollen aus Fremdgestein auftreten. Nach BENN & EVANS (1996, 2010) werden Glazitektonite in zwei Typen untergliedert: Der Typ A-Glazitektonit zeigt Merkmale einer hochgradigen glazitektonischen Beanspruchung mit zahlreichen Scherbahnen und intensiven duktilen Deformationsstrukturen. Diagnostisch sind hierbei eine durch Scherung verursachte tektonische Foliation oder Brekziierung sowie das Auftreten langgezogener Schleppfalten. Fast immer bilden die deformierten Elemente ein parallel zur Scherspannung angelegtes Richtungsgefüge aus. Prä-existente Sedimentstrukturen der Ausgangsgesteine sind im Typ A-Glazitektonit weitgehend, aber nicht vollständig, zerstört. Im Vergleich dazu ist der Typ B-Glazitektonit weniger durchgreifend deformiert. Es handelt sich vorrangig um duktile Deformationen geringerer Verformungsintensität (Verfaltung, Entwässerungsstrukturen etc.). Lithologische bzw. strukturelle Merkmale, die auf das Ausgangsmaterial zurückgehen, sind daher im Typ B-Glazitektonit deutlicher und in größerem Umfang erhalten. |
Entstehung |
Glazitektonite entstehen aus prä-existenten Gesteinen, die im Zuge eines Eisvorstoßes subglazial bzw. eisproximal „tektonisiert“, d. h. spröde oder duktil verformt wurden. Das Erscheinungsbild der daraus hervorgehenden Glazitektonite spiegelt dabei sowohl die Intensität der glazitektonischen Beanspruchung als auch die rheologischen Eigenschaften des Ausgangsmaterials wider. Stratigraphisch treten Glazitektonite häufig im Liegenden von Traktionstills auf und bilden damit das unterste Element einer Eisvorstoßsequenz. Geländestudien und Laborexperimente haben gezeigt, dass der in subglazialen Substraten anliegende hohe Porenwasserdruck den internen Deformationswiderstand meist stark reduziert und damit entscheidenden Einfluss auf die Verformbarkeit des Gletscherbetts ausübt (IVERSON et al. 2008, LEE & PHILLIPS 2013). Die neuere Tillforschung betont zudem, dass zwischen den subglazialen Prozessen der Ablagerung und Deformation ein Prozess-Kontinuum besteht. Dies bedeutet, dass aus einem Glazitektonit durch intensive Scherung und Homogenisierung (vollständiger Verlust der Merkmale des Ausgangsgesteins) ein → Traktionstill entstehen kann. |
Bildungsprozess |
• glazigen |
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• glazigen zerschert |
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• glazigen deformiert |
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• glazitektonisch |
Bildungsraum |
• subglazial |
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• terminoglazial |
Bildungsmilieu |
• glaziär |
Abgrenzung |
- Traktionstill : ein in der subglazialen Traktionszone gleitender Gletscher durch Druckschmelzen, Absetzen (Lodgement) und Scherung entstandenes Sediment.
- Glazigene Scholle: allochthoner, isoliert auftretender Gesteinskörper, der in jüngeren glaziären Ablagerungen eingebettet ist.
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Anmerkung |
Glazitektonite gehören zum typischen sedimentären Inventar vieler Stauchendmoränen. |
Literatur |
Literatur: |
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BANHAM, P. H. (1977): Glacitectonites in till stratigraphy. – Boreas, 6: 101–105. |
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BENN, D. I. & EVANS, D. J. A. (1996): The interpretation and classification of subglacially-deformed materials. – Quaternary Science Reviews, 15: 23–52. |
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BENN, D. I. & Evans, D. J. A. (2010): Glaciers and Glaciation. – 802 S.; London (Hodder Education). |
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BENNETT, M. R. & GLASSER, N. F. (2009): Glacial Geology – Ice sheets and landforms. – 385 S.; Chichester (Wiley). |
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EVANS, D. J. A. (2007): Tills. – In: ELIAS, S. A. (ed.): Encyclopedia of Quaternary Science: 959–975; Amsterdam (Elsevier). |
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IVERSON, N. R., HOOYER, T. S., THOMASON, J. F., GRAESCH, M. & SHUMWAY, J. R. (2008): The experimental basis for interpreting particle and magnetic fabrics of sheared till. – Earth Surf. Process. Landforms, 33: 627–645. |
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LEE, J. R. & PHILLIPS, E. (2013): Glacitectonics – a key approach to examining ice dynamics, substrate rheology and ice-bed coupling. – Proceedings of the Geologists Association, Volume: 124, Issue 5, Special Issue SI: 731–737. |
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PEDERSEN, S. A. S. (1988): Glaciotectonite: Brecciated sediments and cataclastic sedimentary rocks formed subglacially. – In: GOLDTHWAIT, R. P. & MATSCH, C. L. (eds.): Genetic classification of glacigenic deposits: 89–91; Rotterdam (Balkema). |
Bearbeitung |
ROTHER, H.; März 2019 |
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Abbildung 1 |
 Typ A-Glazitektonit aus zerschertem glazifluviatilem Sand und Kies, überlagert durch Traktionstill (Glowe, Rügen, Mecklenburg-Vorpommern; Maßstab: 20 cm; Foto: H. ROTHER, Januar 2013). |
Abbildung 2 |
 Typ B-Glazitektonit aus gefalteten und gering zerscherten Kies-, Sand- und Schlufflagen zwischen hangendem (dünne Restlage) und liegendem Till (OPAL-Gastrasse bei Jatznick, Mecklenburg-Vorpommern, Höhe der exponierten Aufnahmewand ca. 3,2 m; Foto: A. BÖRNER, 2010). |
Abbildung 3 |
 Typ B-Glazitektonit aus gefalteten und gering zerscherten Kies-, Sand- und Schlufflagen zwischen hangendem (dünne Restlage) und liegendem Till (OPAL-Gastrasse bei Jatznick, Mecklenburg-Vorpommern, Maßstab ca. 3x2,3 m; Foto: A. BÖRNER, 2010). |
Abbildung 4 |
 Typ B-Glazitektonit aus gefalteten und gering zerscherten Sand- und Schlufflagen zwischen hangendem (gering verwittert) und liegendem Till (OPAL-Gastrasse bei Rollwitz, Mecklenburg-Vorpommern, Maßstab ca. 4x3,3 m; Foto: A. BÖRNER, 2010). |
Abbildung 5 |
 Würmzeitlicher Glazitektonit des Loisach-Vorlandgletschers (Böschung der A 96 S Schöffelding bei Landsberg am Lech, Bayern; Foto: G. DOPPLER, BayGLA, 15.06.1992). |
Abbildung 6 |
 Würmzeitlicher Glazitektonit des Inn-Vorlandgletschers (Kiesgrube N Bergham bei Bruckmühl, Bayern; Foto: G. DOPPLER, BayLfU, 29.07.2009). |
Abbildung 7 |
 Typ-B-Glazitektonit aus deformierten Schmelzwassersedimenten des Miltitz-Horizonts im Liegenden des Elster-2-Tills (ehemaliger Braunkohlentagebau Gröbern, Sachsen-Anhalt; Foto: S. WANSA, 22.01.1994). Details in Abb. 8. |
Abbildung 8 |
 Typ-B-Glazitektonit aus deformierten Schmelzwassersedimenten des Miltitz-Horizonts im Liegenden des Elster-2-Tills (ehemaliger Braunkohlentagebau Gröbern, Sachsen-Anhalt; Foto: S. WANSA, 22.01.1994). |
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Inspire Code |
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Genutzt für BoreholeML |
Ja |
Begriffs-ID |
301 |
Eltern-ID |
126 |
Hierarchie |
3 |
Änderungsdatum |
04.07.2024 |
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Link |
https://www.geokartieranleitung.de/desktopmodules/gkalist/api/47eba658-b84d-48f5-8c11-0208531cca48 |
Excel |
https://www.geokartieranleitung.de/desktopmodules/gkalist/api/excel/47eba658-b84d-48f5-8c11-0208531cca48 |
JSON |
https://www.geokartieranleitung.de/desktopmodules/gkalist/api/json/47eba658-b84d-48f5-8c11-0208531cca48 |
CSV |
https://www.geokartieranleitung.de/desktopmodules/gkalist/api/csv/47eba658-b84d-48f5-8c11-0208531cca48 |