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Vorlandbildungen

Liste Geogenetische Definitionen für Lockergesteine

Überbegriffe Meeres- und Küstenablagerungen > Küstenablagerungen

Unterbegriffe -

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Status gültig
Kürzel kv
Erläuterung „Sturmflutschichten“; oberhalb des Mittelwassers abgelagerte marine oder brackische Sedimente
Synonyme Deich-Vorlandbildungen

Kategorisierung geomorphologisch, petrogenetisch
Englisch foreshore deposits
Zusammensetzung / Merkmale Im Nordseeküstenbereich bestehen Vorlandbildungen aus einer Wechsellagerung von schluffig-sandigem und tonig-schluffig-sandigem Material mit unregelmäßig-rundlichen („knödeligen“) Schichtgrenzen. Häufig ist in dunklen Lagen organische Substanz angereichert und das Material insgesamt meist stark durchwurzelt. In der Regel sind die Sedimente kalkhaltig, und gelegentlich können dünne Schilllagen auftreten, wobei die kleine Wattschnecke Hydrobia ulvae z.T. schichtbildend angereichert ist.
Im Ostseeküstenbereich werden Vorlandbildungen durch stark durchwurzelte Schilf- und Salzwiesentorfe mit variablem Mineralstoffgehalt repräsentiert und sind damit den lagunären Ablagerungen sehr ähnlich. Das Material ist nicht kalkhaltig und in der Regel ohne kalkschalige Organismenreste.
Entstehung Vorlandbildungen entstehen an der Nordseeküste bei zyklisch wiederkehrender Sedimentation oberhalb der MitteltidehochwasserIinie (MThw-Linie) bzw. oberhalb des Mittelwassers. Dabei werden in kurzer Zeit bei deutlich erhöhter Strömungs- und Wellenenergie umgelagerte marine oder brackische Sedimente auf einer begrünten Landoberfläche abgesetzt. Da derartige Bedingungen in den Deichvorländern in der Regel nur bei Sturmfluten erreicht werden, ist für die Vorlandbildungen auch der Ausdruck Sturmflutschichten gebräuchlich. Bei Sturmflutereignissen können Wattmollusken auf die Vorländer aufgeworfen werden. Ausnahmsweise können diese in den Vorlandbildungen auch in Lebendstellung angetroffen werden (isolierte Salzwasserpfützen). An den heutigen Küsten geht das Aufhöhen der Vorlandbildungen häufig mit Erosion an den seeseitigen Vorlandkanten einher. Hierbei wird die Erhöhung des Vorlandes durch einen Verlust an Fläche kompensiert. Dabei bildet sich eine sehr scharfe Grenzlinie zwischen dem eulitoralen und dem supralitoralen Bereich aus. Ob die heutige scharfe Grenze zwischen Watt und Vorland auch in früheren Phasen der Küstenentwicklung bestand oder sich erst nach dem Einengen der Vorländer durch den Deichbau eingestellt hat, ist unsicher.
An der Ostseeküste ist der Begriff des (Deich-)Vorlands nicht gebräuchlich. Räume, die küstendynamisch dem Vorland entsprechen, sind wegen des Fehlens eines die Wellen- und Strömungsenergie aufnehmenden Watts auf die niedrigenergetischen Küstenabschnitte an den Förden, Bodden und Haffen beschränkt. Unter den dort herrschenden Bedingungen bilden sich → Überflutungsmoorbildungen zwischen -0,4 m und +0,7 m MW.
In der Entstehungsphase der Vorlandbildungen nimmt die Sedimentation klastischer Komponenten eine sehr kurze Zeitspanne in Anspruch, während sich im weit überwiegenden Teil der Zeit eine Moorvegetation entwickelt und pflanzenrestreiche Sedimente bis Sedentate akkumuliert werden. Aus diesem Grund stellen Vorlandbildungen einen Übergang zu den Böden dar.
Bildungsprozess Sedimentation
aquatisch-klastisch
tempestitisch
tidal
marine Erosion
sedentär
pedogen
Bildungsraum • litoral (eu- bis supralitoral)
• supratidal bis intertidal
terrestrisch bis marin
Bildungsmilieu sedimentär
marin
brackisch
palustrisch
Abgrenzung
  • Wattablagerungen: im Gezeitenbereich zwischen Mitteltideniedrigwasser- und Mitteltidehochwasserlinie abgelagerte Sedimente, im Wesentlichen ohne geschlossene Vegetationsdecke.
  • Groden: Bezeichnung für durch Deichbau und Entwässerung aus der See gewonnene Neulandgebiete an der Nordseeküste.
Anmerkung In den Vorländern der deutschen Nordseeküste lassen sich die folgenden Lebens- und Sedimentationsräume unterscheiden:
Die Queller- und Schlickgraszone nimmt das Niveau von ca. 40 bis 0 cm unterhalb des Mitteltidehochwassers (MThw) ein und leitet zu den → Wattablagerungen über. Im Bereich um MThw bis ca. 30 cm über MThw folgt die Andelzone. Daran schließt sich die Salzbinsenzone an.
Etwa ab 70 cm über MThw erfolgt der Übergang zur Süßvegetation. Maximal können Vorlandbildungen etwa bis 1,50 m über MThw aufwachsen; in den meisten Gebieten liegt die Grenze bei ca. 60 cm über MThw.
An der Ostseeküste sind die geringexponierten Küstenabschnitte durch von Schilf dominierte Küstenüberflutungsmoore gekennzeichnet, die nutzungsbedingt in Salzwiesen überführt sein können. Letztere sind dem Vorland an der Nordseeküste (Groden, Hellerschichten, Sturmflutschichten) ähnlich.
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Bearbeitung Erstbearbeitung: STREIF, H. & MENKE, B. (1986)
Überarbeitung: LAMPE, R., SCHWARZ, C., KAUFHOLD, H., OBST, K. (2020)

Abbildung 1
Erosionskante auf Sylt (Schleswig-Holstein), im oberen Bereich Vorlandbildungen (Foto: EHLERS, J., 2011)
Abbildung 2
Wattablagerungen an der Nordsee, im Hintergrund Vorlandbildungen (Foto: STREIF, H. 2002)
Abbildung 3
Vorlandbildungen an der Elbe / Kehdinger Land (Niedersachsen; Foto: GEHRT, E. 2010)

Inspire Code
Genutzt für BoreholeML Nein
Begriffs-ID 14
Eltern-ID 6
Hierarchie 3
Änderungsdatum 12.03.2021

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Zitiervorschrift:
AG Geologie: Geologische Kartieranleitung, Vorlandbildungen; 04.09.2023.- Online im Internet: https://www.geokartieranleitung.de/Fachliche-Grundlagen/Genese-und-Geogenese/Geogenetische-Definition/Lockergesteine/entry/d24c6d64-7da4-4149-81b4-7ec3ea763fe2/mid/3427, Abrufdatum 02.05.2024 um 06:43 Uhr.
(Letzte Aktualisierung dieser Seite: Last update : 04.09.2023 10:21:46)
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