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Höhlensinterkalkstein

Liste Geogenetische Definitionen für Lockergesteine

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Status gültig
Kürzel hoq
Erläuterung In Höhlen und künstlichen Hohlräumen entstandener Süßwasserkalkstein
Synonyme Versinterung, Kalksinter, Kalküberzüge

Kategorisierung petrogenetisch
Englisch cave sinter
Zusammensetzung / Merkmale Bei Höhlensinterkalkstein handelt es sich um Süßwasserkalksteine subterraner Entstehung. Darunter fallen z. B. Tropfsteine, grobkristalline Drusen, Bergmilch etc. aus Kalziumkarbonat (Calcit, Aragonit). Speläotheme werden nach ihrer Morphologie (d. h. nach ihrer äußeren Form), nach ihrem Ursprung und ihrer Kristallographie (d. h. nach ihrer inneren Struktur) klassifiziert. HILL & FORTI (1997) unterscheiden 38 Speläothem-Typen.

Auswahl typischer Speläotheme bei Sinterkalksteinen:
Stalaktiten (stalactites) sind Tropfsteine, die sowohl von der Höhlendecke nach unten als auch in seitlicher Richtung wachsen. Sie bilden sich an Austrittsstellen von Tropfwasser, das auch außen an den Stalaktiten nach unten rinnt.
Stalagmiten (stalagmites) sind Tropfsteine, die von unten nach oben aus dem von der Höhlendecke abtropfendem Wasser wachsen. Beim Aufschlagen fällt die Kalksubstanz aus dem Wasser aus. Stalagmiten zeigen z. T. ein deutliches Dickenwachstum (zumeist keglige Formen). Oft befindet sich ein Stalagmit direkt unter einem Stalaktit.
Stalagnaten (Sintersäule, columns) Wächst ein Stalakatit mit einem Stalagmit zusammen, so entsteht ein Stalagnat, der ab diesem Zeitpunkt nur noch in die Breite wächst. Mächtigere Kalksintersäulen können an Wänden aufliegen oder mit der Zeit aus Stalagnaten durch weitere Aufsinterung heranwachsen.
Excentriques (helictites) können von allen Seiten in einen Hohlraum wachsen. Sie sind geometrisch sehr unregelmäßig geformt, oft hakenförmig, verdreht, faden- oder wurmförmig. Sie scheinen der Schwerkraft zuwider zu wachsen. Die Entstehung ist bislang noch nicht vollständig geklärt, diskutiert werden u. a. Kapillarkräfte, Luftströmungen, Spitzenentladungseffekt und biogene Prozesse.
Röhrensinter (Makkaroni, soda straws) sind dünne, Strohhalm-ähnliche Sinterröhren, durch die das Tropfwasser hindurchströmt. Beim Austritt am Röhrenende fällt Kalk aus dem Wasser aus, lagert sich an und verlängert die Sinterröhre sukzessive. Solche senkrecht von der Decke wachsenden Röhrensinter können mehrere Meter Länge erreichen. Sie sind sehr dünnwandig, weisen etwa den Querschnitt von Makkaronis auf und sind sehr stoßempfindlich. Der Außendurchmesser beträgt häufig ca. 8 mm, der hohle Innendurchmesser liegt i. d. R. bei 4-6 mm.
Sintervorhänge (Sintergardinen, Sinterfahnen, draperies) sind häufig dünnwandige, z. T. durchscheinende Kalksinter mit der Form in Falten gelegter Gardinen. Sie entstehen durch linear abfließendes Tropfwasser. Ein feinschichtiges Aussehen ist typisch.
Boden- und Wandsinter (Sinterdecken, flowstones) entstehen nicht durch punktförmigen, sondern durch linienförmigen oder flächigen Wasserzutritt. Dies führt zur Ablagerung flächiger, z. T. tafeliger Kalksinter.
Kristallrasen (grobkristalline Sinter) wachsen in kleineren Becken mit stehenden Wasser, auf dem Boden und an den Wänden können kleine Kalzitkristalle auskristallisieren, die sich mit der Zeit zu größeren Gebilden (Kristallrasen) verbinden.
Sinterkrusten (crusts) können sowohl andere Speläotheme als auch die anstehenden autochthonen und allochthonen Gesteine großflächig oder auch nur im Mikrobereich in variabler Dicke überziehen.
Sinterbecken (rimstone dams) entstehen durch Karbonatausscheidung aus stehendem Wasser, indem Karbonatkristalle am Beckenrand seitlich an der Wasseroberfläche nach oben und unter der Wasseroberfläche seitlich zum Beckeninneren wachsen. Gleichzeitig wird der Beckenboden mit Sinterkalkstein ausgekleidet. Sinterbecken können dauerhaft oder episodisch mit Wasser gefüllt sein.
Höhlenperlen (Sinterperlen, cave pearls) sind kugelige, in der Regel aus konzentrischen Lagen aufgebaute Kalkkonkretionen, die in sehr flachen Höhlenbecken entstehen. Bleibt das für die stetige Umlagerung der entstehenden Perlen notwendige Tropf- oder Spritzwasser aus, so sintern diese am Boden fest.
Mondmilch (Bergmilch, moon milk) besteht in der Regel aus mikrokristallinen Kalzitkristallen und besitzt einen hohen Wassergehalt (40-90%). Es handelt sich in feuchtem Zustand um eine zumeist weiße, weiche, plastische bis pastöse Substanz. Ausgetrocknet besitzt sie puderförmigen Charakter.
Umfangreiche Einzelheiten zu Speläothemen und Höhlenmineralen können u. a. HILL & FORTI (1997) entnommen werden.
Entstehung Höhlensinterkalksteine entstehen aus wässrigen Lösungen in Höhlen und künstlichen Hohlräumen durch Kristallisation, indem sich das im Wasser gelöste Kalziumhydrogenkarbonat nach Eintritt in den Hohlraum infolge der Verringerung des CO2-Partialdruckes und z. T. auch mikrobieller Aktivität abscheidet. Die Ausfällung aus (stehendem, tropfendem, fließendem) Wasser führt zur Ausbildung verschiedenster Speläotheme/Sinterformen (s. o.). Die Mineralneubildung kann auch aus der Luft und aus Aerosolen erfolgen.
Höhlensinterkalksteine entstehen in der Regel durch sehr langsames Wachstum mit zusätzlich wechselnden Wachstumsgeschwindigkeiten sowie Wachstumspausen und/oder Lösungsphasen. Dabei können über die Wachstumszeit sowohl die Menge des bereitstehenden Kalziumhydrogenkarbonats als auch die Menge und die chemische Zusammensetzung von Spurenstoffen / Verunreinigungen variieren. Deshalb zeigen viele Höhlensinterkalksteine im Querschnitt streifig oder wellenförmig wechselnde Färbungen der Abscheidungsschichten. Die zumeist zwischen weiß, gelb und braun variierende Färbung beruht zumeist auf Verunreinigungen durch z.B. organische Stoffe (z.B. Humin-Säuren), Erze, Eisen- und Mangan-Oxide/Hydroxide, Ruß und/oder Spurenmetalle.
Die Wachstumsgeschwindigkeit der Höhlensinterkalksteine liegt zwischen einigen hundertstel bis wenigen mm pro Jahr, wobei Makkaroni-Sinter die höchsten Zuwachsraten erreichen (SPÖTL 2005).
Bildungsprozess präzipitär
Bildungsraum Höhlenraum
künstlicher Hohlraum
Spalte
Bildungsmilieu subterran
sedimentär
Anmerkung Ausfällungsbildungen: Höhlensinterkalksteine sind auch den Ausfällungsbildungen zugeordnet. Aus bildungsräumlichem Zusammenhang werden sie hier definiert.
Literatur BÖGLI, A. (1978): Karsthydrographie und physische Speläologie. – 292 S.; Berlin u. a. (Springer).
FORD, D. & WILLIAMS, P. (1989): Karst Geomorphology and Hydrology. – 601 S.; London u. a. (Chapman & Hall).
HILL, C. & FORTI, P. (1997): Cave Minerals of the World (Second Edition). – 463 S.; Huntsville (National Speleological Society).
HÄUSLEMANN, P. (2007): Speläo-Merkblätter C31 – Sedimente in Höhlen. – Verband Österreichischer Höhlenforscher (VÖH).
HILDEN & WREDE, V. (1992): Der Malachitdom - Ein Beispiel interdisziplinärer Höhlenforschung im Sauerland. – 304 S., Krefeld (Geol. L.-Amt Nordrh.-Westf.).
MURAWSKI, H. & MEYER, W. (2010): Geologisches Wörterbuch. – 220 S.; Heidelberg (Spektrum).
SPÖTL, C. (2005): Speläo-Merkblätter C33 – Höhlensinter. – Verband Österreichischer Höhlenforscher (VÖH).
Bearbeitung Erstbearbeitung: KATZSCHMANN, L., STEUERWALD, K., FRANZ, M. & GLASER, S. (2019)

Abbildung 1
bis 1 m lange Makkaroni-Sinter (soda straws); Bleßberghöhle, Unterer Muschelkalk (Neundorf, Thüringen; Bildhöhe ca. 1 m; Foto: TLUG, 2009)
Abbildung 2
Kristallrasen; Bleßberghöhle, Unterer Muschelkalk (Neundorf, Thüringen; Bildbreite ca. 15 cm; Foto: TLUG, 2009)
Abbildung 3
20 cm langer Stalaktit; Bleßberghöhle, Unterer Muschelkalk (Neundorf, Thüringen; Bildhöhe ca. 50 cm, Foto: TLUG, 2008)
Abbildung 4
ca. 1 m hoher Stalagmit; Bleßberghöhle, Unterer Muschelkalk (Neundorf, Thüringen; Bildhöhe ca. 150 cm; Foto: TLUG, 2008)
Abbildung 5
Excentriques und soda straws; Bleßberghöhle, Unterer Muschelkalk, (Neundorf, Thüringen; Bildbreite 20 cm, Foto: TLUG, 2009)
Abbildung 6
Sintergardinen, im Hintergrund ältere Generation; Bleßberghöhle, Unterer Muschelkalk, (Neundorf, Thüringen; Bildbreite 150 cm; Foto: TLUG, 2009)
Abbildung 7
Stalagnat mit weiteren Sinterformen (Sinterfahnen, Stalaktiten, Makkaroni, Sinterkrusten); Bleßberghöhle, Unterer Muschelkalk (Neundorf, Thüringen; Bildhöhe 150 cm, Foto: TLUG, 2009)
Abbildung 8
Sintersäulen und -gardinen; Bleßberghöhle, Unterer Muschelkalk (Neundorf, Thüringen; Bildhöhe ca. 5 m; Foto: TLUG, 2009)

Inspire Code
Genutzt für BoreholeML Nein
Begriffs-ID 230
Eltern-ID 310
Hierarchie 3
Änderungsdatum 01.12.2020

Link https://www.geokartieranleitung.de/desktopmodules/gkalist/api/fe72225b-d55d-4e75-bc74-d55cfcc71253
Excel https://www.geokartieranleitung.de/desktopmodules/gkalist/api/excel/fe72225b-d55d-4e75-bc74-d55cfcc71253
JSON https://www.geokartieranleitung.de/desktopmodules/gkalist/api/json/fe72225b-d55d-4e75-bc74-d55cfcc71253
CSV https://www.geokartieranleitung.de/desktopmodules/gkalist/api/csv/fe72225b-d55d-4e75-bc74-d55cfcc71253

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Zitiervorschrift:
AG Geologie: Geologische Kartieranleitung, Höhlensinterkalkstein; 04.09.2023.- Online im Internet: https://www.geokartieranleitung.de/Fachliche-Grundlagen/Genese-und-Geogenese/Geogenetische-Definition/Lockergesteine/entry/fe72225b-d55d-4e75-bc74-d55cfcc71253/mid/3427, Abrufdatum 19.05.2024 um 01:55 Uhr.
(Letzte Aktualisierung dieser Seite: Last update : 04.09.2023 10:21:46)
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