Glazitektonischer Komplex
Liste |
Geogenetische Definitionen für Lockergesteine |
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Überbegriffe |
Gletscherablagerungen und glazigene Vollformen > glazigene Vollformen |
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Unterbegriffe |
- |
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Status |
gültig |
Kürzel |
GK |
Erläuterung |
Kompressionszone, die durch intensive glazitektonische Verfaltung und Verschuppung dislozierter Gesteinseinheiten prä-quartären Ursprungs charakterisiert ist. |
Synonyme |
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Kategorisierung |
geomorphologisch |
Englisch |
glacitectonic complex |
Zusammensetzung / Merkmale |
Es handelt sich um ausgedehnte glazitektonische Kompressionszonen mit einer Flächen-größe von bis zu 100 km2, die durch großdimensionale und intensive Verfaltung und Verschuppung meist lokal dislozierter Gesteinseinheiten prä-quartären Ursprungs charakterisiert sind (PEDERSEN 2014). Die einzelnen gegeneinander verschobenen Gesteinsschuppen werden durch glazitektonische Verwerfungen (Überschiebungen) von-einander abgegrenzt. Morphologisch bilden glazitektonische Komplexe häufig ein hügeliges Terrain, welches aus gestaffelten glazialen Kompositrücken (engl. composite ridges) zusammengesetzt ist und deren Wälle durch aufgeschobene Gesteinsschuppen oder Faltensättel gebildet werden (ABER & BER 2007). Im Unterschied zu Stauchendmoränen, die glazigene Schuppen als Einzelobjekte enthalten können, dominieren präquartäre Schuppen anteilsmäßig den Internbau glazitektonischer Komplexe gänzlich. Häufig werden die im Zuge eines Eisvorstoßes proglazial angelegten glazitektonischen Komplexe anschließend vom Gletschereis überfahren, wodurch es typischerweise zur Ausbildung einer glazitektonischen Diskordanz im Hangenden der Komplexe kommt und die ursprünglich vorhandene Oberflächenmorphologie (Kompositrücken) abgetragen bzw. überprägt wird. In diesen Fällen lassen sich glazitektonische Komplexe nur anhand ihres charakteristischen Internbaus identifizieren. Beispiele für den Formungstyp des glazitektonischen Komplexes finden sich in den großen Stauchkomplexen von Jasmund (Rügen) und Møn (Dänemark), die aus abgescherten und überschobenen Kreideschuppen bestehen und Höhen von weit über 100 m erreichen. |
Entstehung |
Strukturgeologisch handelt es sich bei glazitektonischen Komplexen um Falten- und Imbrikationsfächer aus glazial dislozierten Gesteinsschuppen. Diese werden durch die kombinierte Wirkung von Eisauflast und Schub entlang von Abscherungsflächen (Décollements) in Teufen von meist mehreren Zehnermetern vom Untergrund abgetrennt und nach kurzem Transport gegeneinander gestapelt bzw. übereinander geschoben. Dabei kommt es zu einer deutlichen Verkürzung und Verdickung der betroffenen Gesteins-einheiten. Glazitektonische Komplexe entstehen während eines Gletschervorstoßes im proglazialen Raum durch die in das Gletschervorland gerichtete Bildung eines fort-schreitenden (migrierenden) glazitektonischen Überschiebungssystems. Somit befinden sich die jüngsten Schuppen in dem vom Gletscherrand am weitesten entfernten (distalen) Bereich der Komplexe. |
Bildungsprozess |
• glazigen |
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• glazigen deformiert |
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• glazigen zerschert |
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• glazitektonisch |
Bildungsraum |
• terminoglazial |
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• subglazial |
Bildungsmilieu |
• glaziär |
Abgrenzung |
- Stauchendmoräne: Endmoräne, die durch die Kombination von Eisauflast und Schub an der Stirn eines aktiven (d. h. oszillierenden und/oder vorstoßenden) Gletschers gebildet wurde.
- Satzendmoräne: Endmoräne, die durch länger anhaltende Akkumulation ausschmelzender Gesteinsfracht an positionsstabilen Gletscherrändern entstanden ist.
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Anmerkung |
Aufgrund deutlicher Abweichungen in Zusammensetzung, Struktur und Genese sollten glazitektonische Komplexe künftig nicht mehr als Stauchendmoränen bezeichnet werden. |
Literatur |
ABER, J. S. & BER, A. (2007): Composite ridges – In: ABER, J. S. & BER, A. (eds.): Glaciotectonism. Chapter 5. Developments in Quaternary Science 6: 59−82; Amsterdam (Elsevier). |
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EHLERS, J. (2011): Das Eiszeitalter. – 363 S.; Heidelberg (Spektrum). |
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EVANS, D. J. A. (2013): Moraine Forms and Genesis. – In: ELIAS, S. A. & MOCK, C. J. (eds.): Encyclopedia of Quaternary Science, 2nd ed., vol. 1: 769–779; Amsterdam etc. (Elsevier). |
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GEHRMANN, A., MESCHEDE, M., HÜNEKE, H., ROTHER, H. & OBST, K (2015): Der glazitektonische Komplex von Jasmund (NE-Rügen): Geomorphologische Kartierung und Landformenanalyse auf der Grundlage von LiDAR-Daten. – 79. Tagung der Arbeitsgemeinschaft Norddeutscher Geologen in Güstrow, Tagungsband u. Exkursionsführer: 54–55. |
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GEHRMANN, A. & HARDING, C. (2018): Geomorphological Mapping and spatial analyses of an upper Weichselian Glacitectonic Complex based on LiDAR data, Jasmund Peninsula (NE Rügen), Germany. – Geosciences, 8, 208; doi:10.3390/geosciences8060208. |
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PEDERSEN, S. A. S. (2014): Architecture of Glaciotectonic Complexes. – Geosciences, 4: 269–296. |
Bearbeitung |
Erstfassung: ROTHER, H.; März 2019 |
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Abbildung 1 |
 Links: Digitales Geländemodell des Glazitektonischen Komplexes der Halbinsel Jasmund auf Rügen, Mecklenburg-Vorpommern (DGM5, © GeoBasis-DE/M-V 2017, 10-fach überhöht, bereitgestellt vom LAiV M-V, aus GEHRMANN et al. 2015, verändert). Die Oberflächenmorphologie ist geprägt von zahlreichen glazialen Kompositrücken deren Orientierung den Stauchkomplex in einen Nord- und Südflügel gliedern. Rechts: Kliffaufschluss und interner Strukturbau des intensiv deformierten glazitektonischen Komplexes der Insel Møn (Dänemark, Foto: H. ROTHER 2017). |
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Inspire Code |
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Genutzt für BoreholeML |
Ja |
Begriffs-ID |
354 |
Eltern-ID |
302 |
Hierarchie |
3 |
Änderungsdatum |
01.12.2020 |
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Link |
https://www.geokartieranleitung.de/desktopmodules/gkalist/api/0bcb886d-9a19-4b85-bfe2-fa534b0489f7 |
Excel |
https://www.geokartieranleitung.de/desktopmodules/gkalist/api/excel/0bcb886d-9a19-4b85-bfe2-fa534b0489f7 |
JSON |
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CSV |
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Zitiervorschrift:
AG Geologie: Geologische Kartieranleitung, Glazitektonischer Komplex; 31.03.2025.- Online im Internet: https://www.geokartieranleitung.de/Fachliche-Grundlagen/Genese-und-Geogenese/Geogenetische-Definition/Lockergesteine/entry/0bcb886d-9a19-4b85-bfe2-fa534b0489f7/mid/3427, Abrufdatum 01.05.2025 um 15:49 Uhr.