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Lagunäre Ablagerungen

Liste Geogenetische Definitionen für Lockergesteine

Überbegriffe Meeres- und Küstenablagerungen > Küstenablagerungen > Brackwasserablagerungen

Unterbegriffe -

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Status gültig
Kürzel la
Erläuterung Schluffig-tonige, feinsandige, schwach kalkhaltige, z.T. stärker organische Ablagerungen im Übergangsbereich vom limnischen bzw. semiterrestrischen Milieu zum Brackwatt.
Synonyme Bodden- und Haffablagerungen

Kategorisierung petrogenetisch
Englisch lagoon derived deposits
Zusammensetzung / Merkmale Im Nordseebereich bestehen lagunäre Ablagerungen aus schluffig-tonigen, z.T. feinsandigen Sedimenten mit geringem Kalkgehalt, z.T. sind sie kalkfrei. Die Farbe der Ablagerungen wechselt von grau zu grünlichgrau bis braun. Die Ablagerungen sind eben (planar) geschichtet oder ungeschichtet. Eine Schichtung wird auch durch die häufig zu beobachtenden Rhizome des Schilfrohres vorgetäuscht. Typische bimodale Schichtungsformen des Gezeitenbereichs sind nur von untergeordneter Bedeutung. Die Makrofauna ist, was Arten- und Individuenzahl angeht, verarmt. Nahezu einzige Vertreter der Molluskenfauna sind Kümmerformen der Großen Pfeffermuschel Scrobicularia plana und die Schnecke Hydrobia stagnalis. Pflanzliche Reste treten regelmäßig als Rhizome, Wurzeln und Stengel auf, die an Ort und Stelle gewachsen sind. Diese ursprünglich etwa daumenstarken, horizontal laufenden Wurzelstöcke sind durch die Setzung der Sedimente blattartig flach zusammengepresst. Das Schilfrohr (Phragmites communis), eine Charakterpflanze des lagunären Milieus, kommt in unterschiedlicher Häufigkeit als Einzelpflanze und in dichten Beständen vor. Daneben kommen pflanzliche Reste in Form von feinem, eingedriftetem Detritus vor.
Lagunäre Ablagerungen im Ostseebereich (Ablagerungen der Haffe und Bodden) weisen einen steilen Salinitäts- und Trophiegradienten auf. Je nach Wassertiefe sind sie sandig bis schlickig ausgeprägt. Sandige Ablagerungen sind geringmächtig, z.T. durch Umlagerung pleistozäner Sande, z.T. durch Ufererosion entstanden. Sie sind kalkfrei bis schwach kalkhaltig. Die spärliche kalkschalige Makrofauna besteht in den stärker salzhaltigen Lagunen überwiegend aus Cerastoderma sp. und Mya arenaria, in den stärker ausgesüßten Gewässern aus Dreissena polymorpha. Die bis zu mehreren Meter mächtigen Schlicksedimente der tieferen Gewässerbereiche (→ Schlick) bestehen aus feindetritushaltigem Schluff und Feinsand, Ton ist nur untergeordnet vertreten. Die Farbe der schlickigen Ablagerungen wird durch Eisensulfid-Verbindungen bestimmt und schwankt zwischen dunkelgrau, dunkeloliv und schwarz.
Im Vergleich mit den marinen sind die lagunären Ablagerungen der Ostsee nährstoffreicher und weisen höhere Gehalte an organischer Substanz auf (bis > 20%). Kalk- und Organogengehalte sind von der Salinität und Trophie der Gewässer abhängig und nehmen mit steigendem Flusswassereinfluss zu. Die jüngsten Ablagerungen sind, wie die marinen → Schlicke, durch erhöhte Nähr- und Schadstoffkonzentrationen gekennzeichnet und meist deutlich von Ablagerungen des vorindustriellen Zeitalters abgrenzbar. Die kalkschalige Makro-fauna wird in den stärker salzhaltigen Gewässern durch Cerastoderma sp. dominiert. Scrobicularia plana und Hydrobia sp. kommen nur in älteren Profilabschnitten vor und weisen auf einen seit dem Subboreal sinkenden Salzgehalt in den Lagunen der Ostseeküste hin. Reste von Phragmites sowie von Bruchwaldgehölzen werden nur in den tiefsten Profilabschnitten als Bildungen des transgredierenden Meeres gefunden und sind als Niedermoor- oder Bruchwaldbildungen anzusprechen. Randlich gehen die lagunären Ablagerungen in → Strandablagerungen oder Sedentate der → Überflutungsmoorbildungen über.
Entstehung Lagunäre Ablagerungen der Nordsee werden unter ständiger Bedeckung durch stark ausgesüßtes Brackwasser bei geringem Tidenhub sedimentiert. Die Charakterpflanze des lagunären Ablagerungsmilieus ist, mit einer Toleranzgrenze von maximal 1 % Salzgehalt, das Schilfrohr Phragmites communis. Dabei kommt es heute in einem Tiefenintervall von einigen Dezimetern über dem Mitteltidehochwasser vor.
An der Ostsee nehmen rezente lagunäre Ablagerungen der Bodden und Haffe weite Bereiche des Küstenraumes ein. Charakteristisches Sediment ist ein schwarzer, stark organogener Schlick, der weitgehend frei von makroskopischen Pflanzenresten ist und eine extrem verarmte Molluskenfauna aufweist. Das Arteninventar sowie Kalk- und Organogengehalte der Ablagerungen korrelieren mit der räumlich und zeitlich veränderlichen Salinität der Gewässer.
Der lagunäre Ablagerungsbereich nimmt eine vermittelnde Stellung zwischen dem limnischen Milieu (→ Mudden), den sedentären Bildungen des semiterrestrischen Milieus (→ Niedermoortorf, Bruchwaldtorf, Küstenüberflutungsmoor) einerseits und den → Brackwattablagerungen andererseits ein.
Bildungsprozess Sedimentation
aquatisch-klastisch
tidal
Bildungsraum • litoral (sublitoral)
• subtidal bis intertidal
lagunär
Bildungsmilieu sedimentär
marines Stillwasser
brackisch
brackisches Stillwasser
brackisches Bewegtwasser
Abgrenzung
  • → Mudde: Sedimente, die in Seen abgelagert werden und organische Komponenten (> 5 %) enthalten. 
  • → Niedermoortorf: sedentär, d. h. aus einem an Ort und Stelle aufgewachsenem Moor entstanden, in der Regel mit geringen Schluff- und Tonanteilen. 
  • → Überflutungsmoorbildungen: wie → Niedermoortorf, jedoch wegen häufiger Überflutung stärker minerogen geprägt. Ein sicheres Unterscheidungsmerkmal ist der höhere S-Gehalt.
Anmerkung In der älteren geologischen Literatur sowie in der Ingenieurgeologie und dem Küsteningenieurwesen wird für stark schilfführende Sedimente der lagunären Fazies an der Nordsee vielfach der Begriff „Darg“ verwendet. Dieser unscharf definierte Begriff wurde jedoch auch auf Torfvarietäten einschließlich Hochmoortorf ausgedehnt und sollte deshalb vermieden werden.
An der Ostseeküste beginnt die Bildung lagunärer Ablagerungen in den Bodden und Haffen mit der Transgression des Littorina-Meeres rund 7.000 Jahre BC und hält bis heute an. Sie hat sich aber unter dem Einfluss einer seit dem Subboreal sinkenden Salinität und einem um etwa 1850 einsetzenden Landnutzungswandel verändert. Wasser-, Verkehrs- und Hochwasserschutzbauten haben stellenweise den Wasseraustausch der Lagunen mit der Ostsee erheblich eingeschränkt und zu verstärkter Eutrophierung, weiterer Verarmung des Benthos und gesteigerter Nähr-/Schadstoffakkumulation geführt.
An der Nordseeküste sind lagunäre Ablagerungen räumlich weiter verbreitet als Brackwattablagerungen, an der Ostseeküste werden Brackwattablagerungen nicht ausgehalten.
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Bearbeitung Erstbearbeitung: STREIF, H. (1986)
Überarbeitung: LAMPE, R., SCHWARZ, C., KAUFHOLD, H., OBST, K. (2020)

Abbildung 1
Lagunäre Ablagerung im Gebiet von Schwei (südlicher Jadebusen, Niedersachsen) mit Resten von krautigen Pflanzen (Foto: GEHRT, E., 2014).

Inspire Code
Genutzt für BoreholeML Nein
Begriffs-ID 29
Eltern-ID 322
Hierarchie 4
Änderungsdatum 12.03.2021

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Zitiervorschrift:
AG Geologie: Geologische Kartieranleitung, Lagunäre Ablagerungen; 04.09.2023.- Online im Internet: https://www.geokartieranleitung.de/Fachliche-Grundlagen/Genese-und-Geogenese/Geogenetische-Definition/Lockergesteine/entry/170253a0-4b4a-47d0-9d33-4354d7c6a5d4/mid/3427, Abrufdatum 17.05.2024 um 08:04 Uhr.
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