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Fließtill

Liste Geogenetische Definitionen für Lockergesteine

Überbegriffe Gletscherablagerungen und glazigene Vollformen > Gletscherablagerungen > Till > Sekundärtill

Unterbegriffe -

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Status gültig
Kürzel gtf
Erläuterung Geschichteter, z.T. gradierter Till, dessen Komponenten durch Abgleiten oder schlammstromartiges Fließen über das Eisrelief des Gletschers mobilisiert wurden und im Eiskontakt oder eisrandnah (terminoglazial) zur Ablagerung kamen.
Synonyme glazigener Schlammstrom; Fließmoräne (Weiterverwendung nicht empfohlen); Schlammmoräne (Weiterverwendung nicht empfohlen)

Kategorisierung petrogenetisch
Englisch flow till
Zusammensetzung / Merkmale Fließtill besteht aus glazialem Schutt- und Feinmaterial, welches vom Gletschereis freigesetzt und anschließend durch Abgleiten oder schlammstromartiges Fließen mobilisiert wurde. Lithologisch sind die dabei entstehenden Sedimentpakete meist als grob geschichtete und teilweise gradierte Diamikte ausgebildet. Hinzu kommen charakteristische duktile Deformationsstrukturen (v. a. Rutsch- und Schleppfalten), die sich für eine Rekonstruktion der Fließrichtung nutzen lassen. Am Schichtkontakt zwischen Fließtill und unterlagernden Einheiten finden sich häufig sedimentäre Belastungsmarken (z. B. Flammenstrukturen oder vertikale Materialinjektionen), die im Zuge einer raschen Ablagerung entstehen. Mitunter finden sich kleinere abgescherte Sedimentpakete, die aus dem Liegenden in den Fließtill inkorporiert wurden. Viele Fließtilleinheiten haben nur eine begrenzte laterale Ausdehnung und eine vom proximalen zum distalen Bereich abnehmende Schichtmächtigkeit. In vielen Fällen lassen sich glazigene Fließtills sedimentologisch nicht eindeutig von nicht-glazigenen Schlamm- oder Schuttstromablagerungen (engl. debris flows) unterscheiden. Eine Einstufung erfolgt daher zumeist aufgrund des genetisch-stratigraphischen Zusammenhangs.
Entstehung Bildung durch gravitative Umlagerungsprozesse, bei denen wassergesättigte Rutschmassen über das Eisrelief des Gletschers abgleiten oder abfließen und im Eiskontakt oder eisrandnah (terminoglazial) zur Ablagerung kommen. Als typisches und weitverbreitetes Sediment des Eiszerfalls bilden Fließtills häufig das oberste stratigraphische Element einer Eisrückzugssequenz. In vielen anderen Fällen treten Fließtills auch als reguläre Einschaltung in glazifluviatilen Sedimenten und Endmoränen auf.
Bildungsprozess glazigen
• glazigen abgeflossen
Bildungsraum supraglazial
• terminoglazial
Bildungsmilieu glaziär
Abgrenzung
  • Schuttstromablagerung: meist als wassergesättigte Rutschmasse oder Schlammstrom-ablagerung entstandenes Diamikton, welches nicht primär glazigenen Ursprungs ist. 
  • Abschmelztill: entsteht beim Niedertauen eines inaktiven Gletschers aus supraglazial (auf dem Gletscher) sowie englazial (im Gletscher) transportiertem Schutt.  
  • Unterwassertill: subaquatisch abgelagertes glazigenes Diamikton, welches meist im Verbund mit glazilakustrinen Sedimenten auftritt. 
  • Ausschmelztill: subglaziale Ablagerung stagnierender bzw. langsam fließender Gletscher, die durch das passive Austauen basalen Eises entsteht.
Anmerkung Da Prozesse der Materialumlagerung bei der Genese von Fließtill entscheidenden Einfluss haben, wird dieser Tilltyp zu den Sekundärtills gezählt. Eine Reihe von Autoren ordnen das Sediment nicht den Tills, sondern der Kategorie Umlagerungssedimente zu.
Literatur DREIMANIS, A. (1988): Tills: Their genetic terminology and classification. – In: GOLDTHWAIT, R. P. & MATSCH, C. L. (eds.): Genetic classification of glacigenic deposits: 17–83; Rotterdam (Balkema).
EHLERS, J. (2011): Das Eiszeitalter. – 363 S.; Heidelberg (Spektrum).
KRÜGER, J. & MARCUSSEN, I. B. (1976): Lodgement till and flow till: a discussion. – Boreas, 5: 61–64.
ZIELIŃSKI, T. & LOON, A. J. VAN (1996): Characteristics and genesis of moraine-derived flowtill varieties. – Sedimentary Geology, 101: 119−143.
LOWE, J. J. & WALKER, M. J. C. (2015): The classification of tills – In: LOWE, J. J. & WALKER, M. J. C.: Reconstructing Quaternary Environments: 102–107; London & New York (Routledge).
Bearbeitung ROTHER, H.; März 2019

Abbildung 1
Subaquatisch abgelagerter Fließtill innerhalb einer Abfolge laminierter glazilakustriner Schluffe und Tone (Timmendorf-Strand, Insel Poel, Mecklenburg-Vorpommern; Foto: H. ROTHER, September 2015).
Abbildung 2
Abfolge subaquatisch abgelagerter Fließtills (dunkle Lagen) in Wechsellagerung mit feingeschichteten glazilakustrinen Schluffen (helle Lagen) (Timmendorf-Strand, Insel Poel, Mecklenburg-Vorpommern; Foto: H. ROTHER, September 2015).

Inspire Code
Genutzt für BoreholeML Nein
Begriffs-ID 145
Eltern-ID 300
Hierarchie 5
Änderungsdatum 01.12.2020

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Zitiervorschrift:
AG Geologie: Geologische Kartieranleitung, Fließtill; 04.09.2023.- Online im Internet: https://www.geokartieranleitung.de/Fachliche-Grundlagen/Genese-und-Geogenese/Geogenetische-Definition/Lockergesteine/entry/550a72a1-b253-4d01-8ca6-2bb6612a937f/mid/3427, Abrufdatum 19.05.2024 um 20:35 Uhr.
(Letzte Aktualisierung dieser Seite: Last update : 04.09.2023 10:21:46)
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