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Seitenmoräne

Liste Geogenetische Definitionen für Lockergesteine

Überbegriffe Gletscherablagerungen und glazigene Vollformen > glazigene Vollformen

Unterbegriffe -

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Status gültig
Kürzel SM
Erläuterung Wallförmige Anhäufung von Till und z. T. Schmelzwasserablagerungen an den Flanken langgestreckter Gletscherzungen.
Synonyme Ufermoräne (siehe Anmerkungen)

Kategorisierung geomorphologisch
Englisch lateral (end) moraine, flank moraine
Zusammensetzung / Merkmale Seitenmoränen sind wallförmige Anhäufungen von Till und teilweise auch eingelagerten → Schmelzwasserablagerungen an den Flanken langgestreckter Gletscherzungen, also vorzugsweise von Talgletschern. Sie lehnen sich an die Talhänge an und werden außen häufig von → Kamesterrassen begleitet.
Seitenmoränen sind mit bis zu mehreren Zehner Metern Breite meist vergleichsweise schmal. Sie sind im Allgemeinen nur bis wenige Zehner Meter hoch, können im Laufe des Rückschmelzens mächtiger Talgletscher aber auch deutlich größere Gesamtmächtigkeiten erreichen und über die Talhänge hinunterziehen.
Seitenmoränen werden meist von verschiedenen Arten von Primär- oder Sekundärtill aufgebaut, vorwiegend aber von → Abschmelztill und → Fließtill. Das Material besteht also vorwiegend aus grobem, ungerundetem und wenig geregeltem, supraglazial, seltener englazial transportiertem Gletscherschutt. Weniger dicht gelagerter, feinkornärmerer, komponentengestützter Till dominiert die eigentliche Wallform. Die Basis der Seitenmoräne kann auch feinkornreicher → Ausschmelztill oder → Traktionstill bilden. Bei vorstoßenden Gletschern ist auch die Ausbildung von Glazitektoniten vorstellbar.
Daneben kann lokal auch vom Talhang herabfallender, nicht glazigener Schutt direkt in die Seitenmoräne gelangen und an deren Aufbau beteiligt sein.
Entstehung Ablagerung von auf oder im Eis von Gebirgsgletschern mitgeführtem Material am seitlichen Gletscherrand vor allem durch Abschmelzen (→ Abschmelztill) und durch gravitative Umlagerung in wassergesättigter Form (→ Fließtill). Bei vorstoßenden Gletschern auch Ausschmelzen aus schuttreichem basalem Gletschereis (→ Ausschmelztill) bis Absetzen und Deformation unter dem fließenden Gletscher (→ Traktionstill). Sturz- und Rutschvorgänge können sowohl zur Beteiligung von Hangmaterial führen als auch zur Zerstörung von Seitenmoränen, wenn diese ins eisfrei gewordene Tal abgehen.
Bildungsprozess glazigen
ausgeschmolzen
• durch Niedertauen
Bildungsraum • terminoglazial
Bildungsmilieu • glaziär (mit Übergängen zu glazifluvial)
Abgrenzung
  • Endmoräne: Höhenrücken, der an der Front positionsstabiler Gletscher durch Ablagerung mitgeführten Schutts und/oder Stauchung entsteht.
  • Mittelmoräne: entsteht zwischen zwei zusammenfließenden Zungen von Gebirgs- oder Auslassgletschern.
Anmerkung Als Seitenmoräne wird hier ausschließlich die geomorphologische Form betrachtet, nicht die damit verbundenen Ablagerungen.
In der gletscherkundlichen und geomorphologischen Literatur wird der Begriff Seitenmoräne, wie in der Gletscherkonferenz 1899 festgelegt (BÖHM 1901: 257), für in Bewegung befindliche Obermoräne (supraglazialen Schutt) der Gletscherflanken gebraucht. Nicht mehr aktive, wallförmige Ablagerungen am ehemals seitlichen Gletscherrand werden in der Literatur über die Alpen deshalb oft auch als Ufermoränen bezeichnet (z. B. WILHELM 1975). In der geologischen Literatur werden die Begriffe Seiten- und Ufermoräne dagegen meist synonym gebraucht (z. B. SCHLÜCHTER 1979: 381, HANTKE 1978: 81).
Mit Hilfe von Seitenmoränen können das Gefälle einer Gletscherzunge und auch die ehemalige Schneegrenze rekonstruiert werden, da sich entsprechende Wälle erst im Zehrgebiet eines Gletschers ausbilden (SCHREINER 1997).
Auf Geologischen Karten werden Seitenmoränen meist nur durch ihre Firstlinien entsprechend Endmoränenwällen dargestellt.
Vom Inlandeis des norddeutschen Vereisungsgebiets sind Seitenmoränen nicht bekannt.
Literatur BÖHM, A. (1901): Die Geschichte der Moränenkunde. – Abh. k. u. k. Geogr. Ges. Wien, 3 (4): 1–334.
HANTKE, R. (1978): Eiszeitalter, Band 1: Die jüngste Erdgeschichte der Schweiz und ihrer Nachbargebiete. – 468 S.; Thun (Ott).
MENZIES, J. (Hrsg.) (2002): Modern & Past Glacial Environments. – 543 p.; Oxford, U.K. (Butterworth-Heinemann).
SCHLÜCHTER, C. (1979): Introductory remarks to the field excursion. – In: SCHLÜCHTER, C. (Hrsg.): Moraines and Varves: 377–382; Rotterdam (Balkema).
SCHREINER, A. (1997): Einführung in die Quartärgeologie. – 2. Aufl.: 257 S., Stuttgart (Schweizerbart).
WILHELM, F. (1975): Schnee- und Gletscherkunde. – 434 S., Berlin, New York (de Gruyter).
Bearbeitung Bearbeitung:
Erstfassung: GROTTENTHALER, W., JERZ, H. & STEPHAN, H.-J.; Mai 1985
Überarbeitung: DOPPLER, G.; März 2019

Abbildung 1
Seitenmoräne (Findelengletscher, Wallis, Schweiz; Foto: M. WEIDENFELLER, September 2000).
Abbildung 2
Seitenmoräne (Lenksteinferner, Südtirol, Italien; Foto: S. WANSA, 09.07.2015).
Abbildung 3
Gestaffelte Seitenmoränen und Kamesterrassen (Talausgang des Cass Rivers nahe Lake Tekapo, Südinsel, Neuseeland; Foto: H. ROTHER, Februar 2006).

Inspire Code
Genutzt für BoreholeML Nein
Begriffs-ID 154
Eltern-ID 302
Hierarchie 3
Änderungsdatum 01.12.2020

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Zitiervorschrift:
AG Geologie: Geologische Kartieranleitung, Seitenmoräne; 04.09.2023.- Online im Internet: https://www.geokartieranleitung.de/Fachliche-Grundlagen/Genese-und-Geogenese/Geogenetische-Definition/Lockergesteine/entry/8da68ead-d278-47a2-ae5f-eba61a899260/mid/3427, Abrufdatum 19.05.2024 um 05:08 Uhr.
(Letzte Aktualisierung dieser Seite: Last update : 04.09.2023 10:21:46)
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