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Schmelzwasserablagerungen

Liste Geogenetische Definitionen für Lockergesteine

Überbegriffe Fluss- und Seeablagerungen mit Vollformen > Fluss- und Seeablagerungen > Flussablagerungen

Unterbegriffe Vorschüttablagerungen
Nachschüttablagerungen

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Status gültig
Kürzel gf
Erläuterung Meist grobklastische Ablagerungen aus Gletscherschmelzwässern vor dem Eis
Synonyme glazifluviatile Ablagerungen / Sedimente; fluvioglaziale Ablagerungen (Weiterverwendung nicht empfohlen);

Kategorisierung petrogenetisch
Englisch meltwater / glaciofluvial deposits / sediments
Zusammensetzung / Merkmale Schmelzwasserablagerungen bestehen überwiegend aus Sand und Kies in wechselnder Verteilung, z. T. mit untergeordneten Schluffanteilen. Schluff-dominierte Feinkornlagen und -linsen, feinkörnige Deckschichten, ebenso diamiktische oder Blocklagen treten vergleichsweise selten auf; letztere sind aber in Eisrandnähe häufiger.
Der Rundungsgrad der Kieskomponenten nimmt – wie generell bei Flussablagerungen – mit Entfernung vom Eisrand bzw. Liefergebiet rasch zu; ausgenommen sind transportresistente, harte, ggf. leicht zerbrechende Gesteine. Das Geröllspektrum ist abhängig vom Einzugsgebiet der die Schmelzwässer liefernden Gletscher, reicht über Transfluenzen somit häufig auch über die Einzugsbereiche heutiger Flusssysteme hinaus. In den Schmelzwasserschottern des alpinen Vereisungsgebiets herrschen im allgemeinen karbonatische Gerölle vor, nur bei den in die Zentralalpen zurückreichenden Gletschern können die Kristallinanteile bereichsweise sogar Werte über 50 % erreichen. Der Kristallingehalt in den Nördlichen Kalkalpen wurzelnder Gletscher kommt im Wesentlichen über Transfluenzen zentralalpiner Gletscher zustande. Im Bereich der alpinen Vereisung sind auch feinerkörnige Schmelzwasserablagerungen überwiegend karbonatreich, während im Bereich der nordischen Vereisung mit ihrem Einzugsbereich in den Kristallin-dominierten skandinavischen Gebieten der Karbonatgehalt stark zurücktritt.
Im alpinen Vereisungsbereich sind die Ablagerungen der Gletscherabflüsse fast ausschließlich Kies-dominiert, so dass hier zumeist nur die Bezeichnung Schmelzwasserschotter in Gebrauch ist. Im Bereich der nordischen Vereisung treten demgegenüber vermehrt auch Sand-dominierte Ablagerungen auf. Hier wird zwischen Schmelzwassersand und -kies unterschieden. Gerölle sind meist quer zur Fließrichtung eingeregelt und zeigen z. T. Dachziegellagerung. Schmelzwasserschotter und -kiese sind überwiegend horizontal, seltener auch schräg geschichtet, während bei Schmelzwassersanden Schrägschichtung überwiegt.
Die Schmelzwasserschotter Süddeutschlands können in unterschiedlichem Umfang zu Konglomerat (süddeutsch auch: Nagelfluh) verkittet sein. Die Verfestigung ist oft auf Talrandlagen und einzelne Bänke beschränkt, kann aber mit zunehmendem Alter den Schotterkörper auch vollständig betreffen. Die Verwitterung greift oft zapfenförmig in Schotter ein, woraus sich bei älteren, verfestigten Schmelzwasserschottern im Alpenvorland auch metertiefe, röhrenförmige Karstschlotten, sog. geologische Orgeln entwickeln. Auch Sand- oder Schlufflagen bzw. -linsen können kalkig verbacken sein. In Norddeutschland treten höchstens lokale Verfestigungen durch Karbonat, aber auch durch Eisen/Mangan-Ausfällungen auf. Die Schmelzwasserablagerungen Norddeutschlands sind aufgrund des vom Inlandeis gelieferten Materials und der häufigen Ablagerung auf ausgedehnten Sanderflächen mit geringerer Transportenergie im allgemeinen feinerkörnig als die in Süddeutschland.
Entstehung Schmelzwasserablagerungen werden von Gletscherschmelzwässern vor allem in Fächern (→ Sander) oder Tälern vor dem Eis abgelagert. Z. T. werden sie später noch vom nachrückenden Gletscher überfahren (→ Vorschütt- bzw. Vorstoßablagerungen).
Als Ablagerungen meist verflochtener Flüsse (braided river) vor dem Eis bestehen Schmelzwasserablagerungen in Flüssen überwiegend aus Geröllfracht (bedload), nur ganz untergeordnet kommt in diesem Flussregime auch Misch- oder Suspensionsfracht (suspension load) zum Absatz.
Basale Lagen grober, nicht durch Flusswasser über größere Strecken transportierbarer Blöcke sind meist durch selektive Erosion eines früher vorhandenen feineren Zwischenmittels älterer Ablagerungen als Sohlpflaster entstanden. Isolierte Blöcke (→ Driftblock) können auch mittels Eisdrift entstanden sein. In Nähe des ehemaligen Eisrands sind teilweise in Suspension vom Eis abgeflossene, gemischtkörnige Ablagerungen eingeschlossen (→ Fließtill).
Bildungsprozess • glazifluvial
Bildungsraum • proglazial in Flüssen (v. a. Flussrinnen)
• seltener subglazial (Tunneltäler)
Bildungsmilieu glaziär
Abgrenzung
  • Beckenablagerungen umfassen die überwiegend feinkörnigen kaltzeitliche Seeablagerungen, die unter starker Zufuhr von Gletscherschmelzwässern abgelagert werden. 
  • Flussablagerungen, periglazial sind ebenfalls kaltzeitliche Bildungen, jedoch ohne Eiskontakt. 
  • Flussablagerungen, warmzeitlich sind Absätze in warmem Klima, abgelagert vorwiegend in mäandrierenden Flüssen und mit deren sedimentologischen Merkmalen. Sie sind vor allem feinerkörnig. 
Anmerkung Der Begriff Schmelzwasserablagerungen wird hier nur für die Ablagerungen von Gletscherflüssen gebraucht. Nicht enthalten sind somit die Absätze von Gletscherschmelzwässern in Seebecken (→ Beckenablagerungen) oder von Schneeschmelzwässern. z. T. wird der Begriff aber noch für Schmelzwasserablagerungen am Eisrand gebraucht, z. B. Übergangskegel).
Mit Entfernung vom Gletscherrand ist mit einer zunehmenden Vermischung mit Flussablagerungen aus dem periglazialen Bereich zu rechnen. Wegen der vergleichsweise starken Sedimentanlieferung in den Schmelzwasserabflüssen bleibt der Schmelzwassercharakter aber meist weit flussabwärts dominant.
Aus der Geröllzusammensetzung kann auf das Herkunftsgebiet des Schmelzwasser liefernden Gletschers und bei einer Veränderung des Einzugsgebiets im Verlauf unterschiedlicher Vereisungsphasen auch auf dessen relatives Alter geschlossen werden. Im Alpenvorland handelt es sich häufig um Restschotter, die sich damit deutlich von karbonatischen Schmelzwasserschottern unterscheiden.
Der Begriff → Sander ist bei den → morphologischen Formen von Fluss- und Seeablagerungen beschrieben. Die Begriffe → Kames und → Os bezeichnen ebenfalls (glazi)fluviatile Vollformen, die wegen ihrer glazigenen Entstehung bei den → Gletscherablagerungen und glazigenen Vollformen beschrieben sind.
Zusätzlich zu den als geomorphologische Vollformen ausgebildeten Schmelzwasserablagerungen tritt mit den bisher vor allem aus Norddeutschland beschriebenen Tunneltälern ein weiterer Ablagerungsraum für Gletscherschmelzwässer auf. Tunneltäler konnten vermutlich im Wesentlichen erst an der Basis inaktiver, rückschmelzender Gletscher erodiert und wieder verfüllt werden (EHLERS 1996).
Literatur BENN, D. I. & EVANS, D. J. A. (2010): Glaciers and Glaciation. – 816 S.; London (Hodder Education).
CARRIVICK, J. L. & RUSSEK, A. J. (2013): Glacial Landforms, Sediments – Glaciofluvial Landforms of Deposition. – In: ELIAS, S. A. & MOCK, C. J. (Hrsg.): Encyclopedia of Quaternary Science, Volume 2: 6–17; Amsterdam (Elsevier).
EHLERS, J.: Schmelzwasserablagerungen. – In: HINZE, C., JERZ, H., MENKE, B. & STAUDE, H. (1989): Geogenetische Definitionen quartärer Lockergesteine für die Geologische Karte 1 : 25 000 (GK 25). – Geologisches Jahrbuch, A 112: 39.
EHLERS, J.: Schmelzwassersand und Schmelzwasserkies. – In: HINZE, C., JERZ, H., MENKE, B. & STAUDE, H. (1989): Geogenetische Definitionen quartärer Lockergesteine für die Geologische Karte 1 : 25 000 (GK 25). – Geologisches Jahrbuch, A 112: 40–41.
EHLERS, J. (1996): Quaternary and Glacial Geology. – 578 S.; Chichester (Wiley).
EHLERS, J. (2011): Das Eiszeitalter. – 363 S.; Stuttgart (Spektrum).
MENZIES, J. (Hrsg.) (2002): Modern & Past Glacial Environments. – 543 S.; Oxford (Butterworth-Heinemann).
SCHIRMER, W. (1983): Die Talentwicklung an Main und Regnitz seit dem Hochwürm. – Geologisches Jahrbuch, A 71: 11–43, Hannover.
SCHREINER, A. (1997): Einführung in die Quartärgeologie. – 257 S.; Stuttgart (Schweizerbart).
Bearbeitung Erstbearbeitung: EHLERS, J. (1985)
Neubearbeitung: DOPPLER, G., WEIDENFELLER, M., HOSELMANN, C., GRUBE, A., FRANZ, M. (2019)

Abbildung 1
Schmelzwasserschotter des würmzeitlichen Inn (Kiesgrube W Neuötting, BY, Foto: G. DOPPLER, 2005)
Abbildung 2
Schmelzwasserschotter des rißzeitlichen Ur-Inn, untergliedert durch einen Horizont mit kryoturbat verwürgtem Lösslehm (Kiesgrube bei Gumpersberg S Kraiburg a. Inn, BY, Foto: G. DOPPLER, 2005)
Abbildung 3
Schmelzwasserschotter des spätwürmzeitlichen Inn, durch eine gröbere, leicht konglomerierte Basislage getrennt von unterlagerndem hochwürmzeitlichen Schmelzwasserschotter (Kiesgrube bei Klugham SSW Waldkraiburg, BY, Foto: G. DOPPLER, 2005)
Abbildung 4
Schmelzwasserschotter der mindelzeitlichen Ur-Iller, im unteren Teil mit kegelförmiger Schüttung, im oberen Teil als Vorstoßschotter mit leichter Kornvergröberung nach oben (Kiesgrube Johanniskeller E Obergünzburg, BY, Foto: G. DOPPLER, 2012)
Abbildung 5
Schmelzwasserschotter des rißzeitlichen Ur-Rhein (Kiesgrube SE Klingnau, Aaretal, Schweiz, Foto: G. DOPPLER, 2010).

Inspire Code
Genutzt für BoreholeML Nein
Begriffs-ID 104
Eltern-ID 71
Hierarchie 4
Änderungsdatum 23.01.2023

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Excel https://www.geokartieranleitung.de/desktopmodules/gkalist/api/excel/93369f96-144d-4690-87f9-75ee020d8756
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Zitiervorschrift:
AG Geologie: Geologische Kartieranleitung, Schmelzwasserablagerungen; 04.09.2023.- Online im Internet: https://www.geokartieranleitung.de/Fachliche-Grundlagen/Genese-und-Geogenese/Geogenetische-Definition/Lockergesteine/entry/93369f96-144d-4690-87f9-75ee020d8756/mid/3427, Abrufdatum 18.05.2024 um 12:00 Uhr.
(Letzte Aktualisierung dieser Seite: Last update : 04.09.2023 10:21:46)
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